Selbstverständnis der IKDR Niedersachsen

Die Initiative ist ein offener Zusammenschluss von Initiativen, Organisationen, Arbeitsgruppen und Einzelpersonen in Niedersachen. Sie will mit ihrer Arbeit rechtsextreme und menschenfeindliche Haltungen innerhalb und außerhalb der christlichen Kirchen in Niedersachsen benennen und ihnen konstruktiv entgegentreten. Dabei geht es nicht immer um geschlossene rechtsextreme Weltbilder, sondern auch um einzelne oder verbundene Segmente „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ (GMF) [1].


Christ*innen bekennen sich zu der einen Schöpfung und zu dem einen Gott Israels, dem Vater Jesu Christi, dessen erste Jünger*innen jüdischen Glaubens waren. Die das Christentum mit dem Judentum und dem Islam verbindende Überzeugung von der Geschöpflichkeit des Menschen, die Befreiungsgeschichte des Volkes Israel und das davon abgeleitete Gebot, sich selbst als Gast auf dieser Erde zu sehen und deshalb auch die vermeintlich oder tatsächlich „Fremden“ mit gleichen Rechten und gastfreundlich aufzunehmen, verbieten jede Form von ideologisch konstruierter Ungleichheit von Menschen oder Menschengruppen. Die eine christliche Kirche versteht sich als „Volk Gottes aus allen Völkern“. Darum hat sie einen inklusiven, offenen Charakter ohne Ansehen von Person, Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion und Kultur [2].


Die Notwendigkeit einer klaren christlichen Positionierung wird im Beschluss der 2. Tagung der 11. Synode der EKD in Ulm vom 29. Oktober 2009 deutlich: „Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland ist beunruhigt, dass rechtsextremes Gedankengut, das sich vermehrt in brutalen Gewalttaten äußert, in ganz Deutschland vorzufinden ist. Wir beklagen sowohl rechtsextreme Einstellungen bei Gliedern unserer Kirchengemeinden als auch zunehmende antichristliche Ressentiments und Vorfälle von Seiten Rechtsextremer. Die Demokratie ist nach christlicher Überzeugung die beste aller Gesellschaftsformen. Die Synode der EKD bittet die Ämter der Gliedkirchen, dafür Sorge zu tragen, dass das Thema Rechtsextremismus in den Aus-, Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen der Gliedkirchen Beachtung und Raum findet. Die Synode hält eine Vertiefung der theologischen Grundlagen in der Auseinandersetzung mit rassistischen, antisemitischen und menschenfeindlichen Überzeugungen und eine Prüfung der kirchenrechtlichen Konsequenzen (u.a. im Blick auf Mitgliedschaftsfragen) für dringend erforderlich.“


Wir sind der Überzeugung, dass die Ideologie des Rechtsextremismus dem christlichen Glauben zutiefst widerspricht. Doch wir haben aus der Geschichte, speziell der deutschen Vergangenheit schmerzhaft erfahren, dass Christ*innen Träger*innen von rassistischen und antisemitischen Ideologien werden können. Die Geschichte des kirchlichen Antisemitismus ist dabei eine der besonderen Schuldverstrickungen. Heute begegnen uns diese Herausforderungen auch in Form „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“.


Das macht uns sensibel für das Fehlverhalten der eigenen Mitglieder. Wir meinen, dass innerhalb der christlichen Kirchen die Aussagen der biblischen Botschaft zur Thematik und ein selbstkritisches historisches Bewusstsein noch stärker an Bedeutung gewinnen müssen. Daraus folgen für uns Verpflichtung und Arbeitsauftrag in Bezug auf unsere Kirchengemeinden und unsere Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Bündnissen, die sich der Thematik annehmen.

Aufgaben und Ziele


1. Die Initiative will mit ihrer Arbeit rechtsextreme und menschenfeindliche Haltungen innerhalb und außerhalb der christlichen Kirchen in Niedersachsen benennen und ihnen konstruktiv entgegentreten. Sie stellt sich daher einer immer noch vorhandenen Bagatellisierung entgegen. Dies bedeutet auch eine Vertiefung der theologischen Grundlagendiskussion in der Auseinandersetzung mit rassistischen, antisemitischen und menschenfeindlichen Überzeugungen und eine beratende Funktion bzgl. Empfehlungen kirchenrechtlicher Konsequenzen (u.a. im Blick auf Mitgliedschaftsfragen).


2. Die Initiative will zur Verbesserung und gemeinsamen Entwicklung von Maßnahmen, Aktivitäten, Arbeitsformen zur Auseinandersetzung mit rechtsextremen Einstellungen in Niedersachsen beitragen. Sie will sich mit Fragen der Ursachen, der Aufklärung und der Prävention beschäftigen und positive Beispiele toleranten Miteinanders veröffentlichen und fördern. Sie weiß um die begrenzten Ressourcen einzelner Personen oder Initiativen in Kirchengemeinden und darüber hinaus. Daher setzt sie auf gegenseitigen Austausch und Information zur Stärkung der kirchlichen Vernetzung durch den Auf- und Ausbau eines Email-Verteilers von Unterstützer*innen.


3. Die Initiative will in die gesellschaftliche sowie innerkirchliche Debatte praktische Erfahrungen und fachliche Kompetenzen in den folgenden Bereichen einbringen:

  • themarelevante und basisnahe Verkündigung in kirchlicher Erwachsenen- und Jugendarbeit
  • Beratung und Begleitung von Opfern und potentiellen Opfergruppen rechtsextremer Gewalt,
  • politische Bildung im Kontext Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus, Beratung und Begleitung partizipativer Planungsprozesse zur Thematik in kirchlichen und säkularen Gemeinwesen.
  • institutionalisierte Bildungsarbeit


4. Die Initiative will bestehende Arbeitsmaterialien sichten, Bedarfsanzeigen an Arbeitsmaterialien und Multiplikator*innen-Workshops erheben und Kontakte zu Referent*innen bereitstellen. Dazu sucht sie den engen Kontakt besonders mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirchen für Demokratie gegen Rechtsextremismus (BAGKR) sowie dem Landespräventionsrat Niedersachsen und anderen gesellschaftlichen Akteuren.

Struktur und Arbeitsweise

 

  • Die kollegiale Begegnung von Personen und Beratung der Projekte in der Initiative ist Grundlage ihrer Arbeit. Aus diesem Grund ist die Initiative demokratisch verfasst und wählt aus ihrem Kreis eine Gruppe von Sprecher*innen. Dabei sollte möglichst auf eine regionale Ausgewogenheit und Gendergerechtigkeit geachtet werden.
  • Die Gruppe der Sprecher*innen wird durch das verantwortliche Referat im LKA der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers bestätigt. Die/der zuständige Referent*in ist über die Aktivitäten des Sprecher*innengruppe informiert und kann jederzeit an den Sitzungen teilnehmen.
  • Fachlich angebunden ist die Initiative an die Arbeitsfelder „Friedensarbeit“ und „Östliche Religionen und Weltanschauungsfragen“ im Fachbereich „Kirche im Dialog“ im Haus kirchlicher Dienste. Beide Beauftragte sind qua Amt Mitglied der Sprecher*innengruppe.
  • Veröffentlichungen von Konzeptionen und politischen Stellungnahmen sind von der Sprecher*innengruppe zu erarbeiten und mit der Landeskirche abzustimmen.
  • Zur Erledigung besonderer Aufgaben kann die Initiative spezielle Arbeitskreise einrichten, die mit der selbstverantwortlichen Umsetzung und Bearbeitung von Aufgaben und Themen beauftragt sind.
  • Die interne und öffentliche Kommunikation der Initiative erfolgt über eine eigene Internetpräsenz, deren Inhalte die Sprecher*innengrupe oder ein von ihr bestellter Arbeitskreis bestimmt.

(Beschlossen durch die Vollversammlung der IKDR am 10. Februar 2012 in Hannover –
Aktualisiert durch die Vollversammlung der IKDR am 10. September 2021 in Hannover.)

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[1] Die Studien „Deutsche Zustände“ von Prof. W. Heitmeyer, Universität Bielefeld 2002-2010 benennen fremdenfeindliche, rassistische, antisemitische, islamfeindliche, sexistische und völkisch-nationalistische Haltungen als Segmente gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Gesellschaft und Kirche.
[2] Siehe Dr. Michael Haspel „Warum sich die Evangelische Kirche gegen Rechtsextremismus engagieren muss!“ in „Nächstenliebe verlangt Klarheit Kirche in Sachsen für Demokratie gegen Rechtsextremismus“, Dresden November 2008 sowie Klaus J. Burckhardt „10 Argumente: Warum Christen ihre Stimme gegen Rechtsextremismus erheben“ in: „Gib dem Hass keine Chance“, Hannover 2009