Radikalisierung: Die besondere Gefahr des Verschwörungsdenkens

Einleitung

Die Unterrichtseinheit will für die Gefahren von Radikalisierungen infolge der Beschäftigung mit Verschwörungstheorien bzw. der Ausprägung eines verschwörungstheoretischen Denkens sensibilisieren. Anhand von realen Beispielen werden die Veränderungen von Personen nachvollzogen, die nicht nur selbst Verschwörungstheorien verbreiten, sondern die sich in ihren Äußerungen und/oder Taten in den letzten Monaten und Jahren radikalisiert haben.

Hintergründe

Seit jeher gibt es Verschwörungstheorien und Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben. Mancher Verschwörungsglaube bleibt weitgehend unbemerkt oder erscheint dem sozialen Umfeld skurril, aber nicht weiter bedeutsam. Problematisch wird es für das soziale Umfeld bspw. in den Familien dann, wenn der individuelle Verschwörungsglaube zu grundlegenden Verhaltensänderungen führt. Häufig wird dieser Wandel erst dann bemerkt bzw. ernst genommen, wenn sich die betreffende Person bereits in einem Radikalisierungsprozess befindet. Mit dem Aufkommen des Internets und der sozialen Medien haben sich zudem auch neue Radikalisierungsräume aufgetan, in denen Menschen mit entsprechenden Ideen, Verschwörungstheorien und Ideologien in Berührung kommen und gleichzeitig Anschluss, Bestätigung und Anerkennung finden können.

Die Online-Welt mit ihren einfachen Kommunikationsmöglichkeiten und den Echokammern und Blasen der Gelichgesinnten bietet einen immensen Nährboden für beschleunigte Radikalisierungsprozesse, die sich von den möglichen moderierenden Effekten des ursprünglichen sozialen Umfelds von Familie und Freundeskreisen schnell entkoppeln.

Auf gesellschaftlicher Ebene wird die Problematik oft erst wahrgenommen, wenn die Zahl der Verschwörungsgläubigen steigt, die Verschwörungstheorien eine politische Dimension bekommen und entsprechende Narrative in die gesellschaftlich-politischen Auseinandersetzungen eingehen. Immer offener wird in den sozialen Medien oder auf öffentlichen Kundgebungen gehetzt und sogar zu Gewalt aufgerufen. Die Attentäter von Hanau und Halle beriefen sich in ihren Rechtfertigungen auf verschiedene Verschwörungstheorien.

Eines der prominentesten Beispiele für die unübersichtliche Welt des grassierenden Verschwörungsdenkens ist die Verschwörungsbewegung QAnon. Ausgehend von den USA hat sich QAnon zu einer globalen Verschwörungsbewegung mit einer wachsenden Anhängerschaft auch in Deutschland entwickelt, die sich in den sozialen Netzwerken wie auf Anti-Corona- und sog. „Querdenker“-Demonstrationen zeigt. Ein anonymer Hinweisgeber mit angeblichem Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen veröffentlicht unter dem Pseudonym „Q“ Hinweise auf eine weltweite Verschwörung, die von vielen Anhängern ausgedeutet und weitergesponnen werden. Im Verschwörungskosmos von QAnon geht es um düstere Untergangsszenarien und Erlösungsfantasien. Mit anderen Worten: Es geht um „alles oder nichts“ – womit einer Radikalisierung bis hin zur Gewaltbereitschaft Tür und Tor geöffnet sind.

Es werden Schuldige ausgemacht, seien es Bill Gates, Angela Merkel oder George Soros. Es wird gefordert, diese zur Rechenschaft zu ziehen. Dies wird mit symbolischen Galgen oder Abbildungen der vermeintlich Schuldigen in Sträflingskleidung untermalt. Regelmäßig kommt es auch zu Übergriffen auf Journalist*innen, die als Vertreter*innen der „Lügenpresse“ diffamiert werden. Gemäß der Schwarz-weiß-Logik dieser Verschwörungserzählungen werden Feindbilder propagiert, die der Radikalisierung ein Ziel geben.

Die gemeinsamen Feindbilder ermöglichen es, verschiedene Milieus von esoterischen über evangelikale Gruppierungen bis hin zur rechtspopulistischen und rechtsextremen Szene auf entsprechenden Demonstrationen gemeinsam bzw. nebeneinander in Erscheinung treten zu lassen. Zudem sind sowohl die Demonstrationen als auch entsprechende Internetforen Kontaktflächen für Menschen, die aufgrund ihrer Ängste oder Unzufriedenheiten mit einzelnen politischen Maßnahmen hier mit ideologisch untermauerten Positionen und politischen Verschwörungstheorien vertraut gemacht werden.

Definition Radikalisierung

Der Begriff Radikalisierung wird als Entwicklung definiert, in dessen Verlauf sich entweder einzelne Personen oder auch ganze Gruppen extremistischen politischen Einstellungen zuwenden.

Dabei verläuft eine Radikalisierung meist als schleichender Prozess, ist anfangs oft nicht merkbar und langfristig angelegt. Im Radikalisierungsprozess entwickeln und verfestigen sich menschenverachtende Positionen gegenüber Personengruppen oder die Ablehnung demokratischer Institutionen.

Eine Radikalisierung kann sich in Gewaltfantasien gegenüber der abgelehnten Gruppe äußern und führt weiterhin zu einer ideologischen Legitimation von Gewalt: Gewalt wird als gerechtfertigtes Mittel eines als notwendig erachteten Widerstands gegen Personen, Gruppen und Institutionen verstanden, die wiederum als Urheber existentieller Bedrohungen aufgefasst werden. In letzter Konsequenz wird diese Gewalt auch ausgeübt.